Zunehmende Nachfrage nach Minderheitsbeteiligungen bei Unternehmen

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Die Stimmung auf dem globalen M&A-Markt ist derzeit äußerst positiv. Das durchschnittliche Bewertungsniveau aller Branchen befindet sich auf dem höchsten Stand seit 2008. Daneben stehen auch die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen gut: Im Markt befindet sich eine hohe Liquidität, die durch die starke Finanzierungsbereitschaft der Banken bei Akquisitionen ergänzt wird.

Aktuell deuten viele Faktoren im Marktumfeld darauf hin, dass der Zeitpunkt für die Veräußerung von Unternehmensanteilen in Deutschland sehr günstig ist. Dennoch stellen sich viele Minderheitsgesellschafter die Frage, ob es denn überhaupt ausreichend Interessenten für ihre Beteiligungen gibt und welche Käufergruppen grundsätzlich infrage kommen. In der Regel stellt die Veräußerung einer Minderheitsbeteiligung eine größere Herausforderung dar als ein Komplettverkauf. Die Käufergruppen sind aber im Prinzip die gleichen wie bei einer Mehrheitsveräußerung: Neben strategischen Interessenten kommen insbe­sondere Finanzinvestoren und Privatinvestoren beziehungsweise Family Offices in Frage.

Vor allem der Private-Equity-Markt hat sich in den letzten Jahren sehr stark für Minderheitsbeteiligungen geöffnet. Neben der nicht unwesentlichen Zahl von Investoren, die ohnehin auf Minderheiten spezialisiert sind, haben einige große Private-Equity-Gesellschaften spezielle Minderheitsfonds aufgesetzt, die gezielt nach derartigen Investitionsmöglichkeiten suchen. Anders als beim Verkauf an einen strategischen Investor muss der verbleibende Gesellschafter bei der Transaktion mit einem Finanzinvestor keinen Know-how-Abfluss befürchten. Im Gegenteil: Institutionelle Investoren stehen dem Unternehmen häufig mit ihrem Wissen in Bezug auf Prozessoptimierung und Wachstum sowie mit internationalen Kontakten zur Seite.

Family Offices erwerben ebenfalls häufig Minderheitsbeteiligungen. Da ihr Fokus auf langfristigen Investitionen liegt und sie keinem Exit-Druck ausgesetzt sind, kann eine solche Beteiligung für den Mehrheitsgesellschafter eine interessante Lösung darstellen. Das hinter einem Family Office stehende Unternehmerfamilien-Netzwerk kann außer­dem Branchenkontakte und Fachwissen zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus haben auch strategische Käufer Interesse an Minderheitsbeteiligungen. Insbesondere für ausländische Investoren bieten diese eine attraktive Möglichkeit, sich Zugang zum deutschen Markt zu verschaffen. Im Zuge der Transaktion sind allerdings die Rollen von Mehr- und Minderheitsgesellschaftern genau zu definieren, und es ist zu regeln, wie lange eine solche Partnerschaft bestehen soll beziehungsweise wie sie vermutlich enden wird.

Im Rahmen einer Veräußerung spielen für den Verkäufer natürlich diverse sehr unterschiedliche Aspekte eine Rolle. Bei Familienunternehmen sind dies z. B. häufig der Fortbestand des Unternehmens und der Erhalt des Firmennamens. Unabhängig davon hat die Erzielung eines hohen Kaufpreises aber in den meisten Fällen oberste Priorität. Daher gilt es, den optimalen Verkaufszeitpunkt zu finden, der sowohl von internen als auch von externen Faktoren bestimmt wird. Intern kann der Gesellschafter diese in der Regel selbst beeinflussen. Hierzu zählen z. B. die Unternehmensverfassung und seine persönliche Lebensplanung.

Aus Sicht vieler Mittelständler ist ein guter Verkaufszeitpunkt jedoch eher selten gegeben. Bei gutem Geschäftsverlauf wird tendenziell davon ausgegangen, dass sich diese Entwicklung mit stets steigender Tendenz auch in den nächsten Jahren fortsetzt und der Unternehmenswert dadurch in Zukunft wesentlich wächst. Dabei lassen die betreffenden Unternehmer jedoch häufig außer Acht, dass auch Marktveränderungen, die nicht die eigene Branche betreffen, oder politische Ereignisse mit Einfluss auf die Gesamtkonjunktur den Wert des Unternehmens mitbestimmen.

Aber auch bei schlechtem oder stagnierendem Geschäftsverlauf sehen viele Gesellschafter keinen Anlass zum Verkauf. Schließlich haben sie in der Regel bereits diverse Maßnahmen zur Verbesserung der Lage ergriffen, die sich in den kommenden Jahren positiv auswirken sollen. Allerdings ist bei dieser Argumentation zu bedenken, dass der Weg nicht zwangsläufig immer aufwärts führen muss – schon deshalb nicht, weil Gesellschafter externe Faktoren nur bedingt beeinflussen können. Eine günstige Konstellation der internen Faktoren allein ist nicht ausreichend, um den optimalen Verkaufszeitpunkt festzulegen. Dieser wird zudem vom Branchenumfeld, von der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie den aktuellen Tendenzen am M&A-Markt bestimmt.

Die allgemeine Komplexität beim Verkauf einer Minderheitsbeteiligung besteht unter anderem darin, dass mit den anderen Gesellschaftern in der Regel Personen mit einbezogen sind, die nicht monetär von der Transaktion profitieren. Während für den ausscheidenden Gesellschafter die Kaufpreismaximierung meist im Vordergrund steht, sind die Intentionen der verbleibenden Anteilseigner oftmals vielfältig. Aus dieser Interessensdivergenz ergeben sich fast zwangsläufig Konflikte, da der Käufer, der den höchsten Preis bietet, nicht zwangsläufig der präferierte Kandidat der verbleibenden Gesellschafter ist. Daher sollten Ent­scheidungen generell einvernehmlich und nach Möglichkeit nicht gegen den Willen anderer Gesellschafter herbeigeführt werden. Dies betrifft sowohl die grundsätzliche Überlegung, welche Nachfolgeregelung gewählt wird, als auch die Auswahl des finalen Käufers. Es ist zudem empfehlenswert, Lösungen nicht ausschließlich an rechtlichen Rahmenbedingungen festzumachen, sondern einen Interessensausgleich für alle Beteiligten zu erzielen.

Neben der Regelung der internen Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse sind zusätzlich einige prozessrelevante Besonderheiten zu beachten. Bereits im Vorfeld sollten die Parteien das Vorgehen bei der Due Diligence klären und festlegen, inwieweit ein externer Dritter Einblick in vertrauliche Unterlagen erhalten soll. Erfahrungsgemäß machen Käufer in Bezug auf den Umfang der Prüfung kaum Unterschiede beim Erwerb einer Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligung. Auch hier besteht verständlicherweise ein gewisses Konfliktpotenzial, da die Offenlegung von Unternehmensgeheimnissen zwar auf der einen Seite kaufpreistreibend wirkt, auf der anderen Seite aber natürlich nicht im Sinne des Unternehmens und seiner Gesellschafter liegt. Daneben verursacht die Zusammenstellung und Aufbereitung der Unterlagen einerseits einen nicht unerheblichen Aufwand, andererseits erfordert sie auch eine gewisse Kenntnis des Unternehmens, über die ein operativ nicht eingebundener Minderheitsgesellschafter üblicherweise nicht verfügt. Die Einbeziehung eines Mitarbeiters oder des Managements ist daher meist erforderlich. Verständlicherweise wollen die verbleibenden Gesellschafter im Gegenzug zu den beschriebenen Belastungen auch ein Mitspracherecht im Prozess erhalten.

Wenngleich sich die Unternehmensprüfung beim Erwerb einer Minderheitsbeteiligung in Vorgehen und Umfang kaum von der beim Kauf eines Mehrheitsanteils unterscheidet, gibt es bei der Bewertung doch merkliche Abweichungen. Käufer, die eine Beteiligung von unter 50 % eingehen, nehmen typischerweise Abschläge vor: der Kontrollabschlag trägt der mangelnden Kontrolle Rechnung, die ein Erwerber als Minderheitsgesellschafter ausüben kann. Die eingeschränkten Weiterverkaufsmöglichkeiten des Anteils spiegeln sich in einem Fungibilitätsabschlag wider. Da die höchsten Preise immer noch bei Mehrheitstransaktionen gezahlt werden, ist es für den Minderheitsgesellschafter am vorteilhaftesten, seine Mitgesellschafter zu einer Mehrheitsveräußerung zu bewegen.

Trotz aller Schwierigkeiten lässt sich das Fazit ziehen, dass der Markt für Minderheitsbeteiligungen in den letzten Jahren für Verkäufer deutlich attraktiver geworden ist. Sowohl Finanzinvestoren als auch Strategen zeigen ein gesteigertes Interesse an derartigen Transaktionen. Eine genaue Absprache vorab im Gesellschafterkreis und eine strukturierte Vorgehensweise sind allerdings wesentliche Aspekte für den nachhaltigen Erfolg.

2-2015-10

Nachfolgeregelung für Minderheitsgesellschafter (Quelle: Angermann M&A International AG)

 

 

 

Autorin: Dr. Nadine Ulrich, Director bei der Angermann M&A International GmbH

Der Artikel ist auch in der aktuellen Ausgabe von inpuncto erschienen.

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